Amnesty, epicenter.works & 38 Expert*innen, NGOs fordern Polizeireform
Die nächsten Monate sind eine historische Chance für die Regierung, die Polizei in Österreich zu modernisieren und menschenrechtsfreundlicher zu gestalten. Ein breites Bündnis von 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Expert*innen – von renommierten Verfassungsjurist*innen über Beratungsstellen wie die Rechtshilfe Rapid bis hin zu Bewegungen wie Black Movement Austria – fordern in einem offenen Brief Innenminister Nehammer, Justizministerin Zadić sowie die Nationalratsabgeordneten Mahrer und Bürstmayer auf, eine wirksame und unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt*innen einzurichten. Damit diese Stelle auch das Vertrauen der Bevölkerung hat, muss sie umfassende Funktionen erhalten und partnerschaftlich mit der Zivilgesellschaft entwickelt werden, fordern die Unterzeichner*innen. Der Brief wurde von Amnesty International Österreich und epicenter.works initiiert.
Unabhängig und umfassend aufklären
„Alle profitieren von einer Polizei, die professionell und transparent arbeitet – auch die Polizist*innen selbst. Dazu gehört die Errichtung einer unabhängigen Ermittlungs- und Beschwerdestelle von Polizeigewalt. Positiv ist, dass so eine Stelle nun auch im Regierungsprogramm geplant ist. Wichtig ist jetzt aber in den nächsten Monaten, dass diese Stelle auch konsequent, menschenrechtskonform und partnerschaftlich mit der Zivilgesellschaft umgesetzt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass diese Ermittlungs- und Beschwerdestelle von Beginn an auf eine breite Basis gestellt wird und das Vertrauen der Bevölkerung hat. Betroffene von Polizeigewalt in Österreich müssen die Möglichkeit haben, dass Vorfälle rasch, unabhängig und umfassend aufgeklärt werden“, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
„Das institutionelle Design der Ermittlungs- und Beschwerdestelle wird wesentlich dafür sein, dass sie wirksam ist. Ihre Ermittlungen müssen umfassend und unabhängig geführt werden. Auch die Kennzeichnungspflicht der Polizeibeamt*innen ist für eine wirkungsvolle Absicherung von Grundrechten notwendig, damit Ermittlungen zu Ergebnissen führen. Dies hilft Opfern und Betroffenen, aber es verhindert auch Falschanschuldigungen gegen Polizeibeamt*innen“, sagt Juristin Lisa Seidl von epicenter.works.
Vier Forderungen
Die Organisationen fordern, dass bei der geplanten Polizeireform
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internationale Standards als Mindestvorgaben eingehalten werden,
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umfassende Funktionen der unabhängigen Ermittlungs- und Beschwerdestelle sichergestellt werden,
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die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen eingeführt wird,
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die Zivilgesellschaft für eine breite Unterstützung der Reform eingebunden wird.
Die wirksame Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen ist wichtig für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Polizei und den Menschen im Land. In Bezug auf Menschenrechte hat es in den vergangenen Jahrzehnten positive Entwicklungen in Österreich gegeben – auch dank des Austauschs der Polizei mit der Zivilgesellschaft und der Einbindung menschenrechtlicher Aspekte in die Ausbildung. Dennoch gibt es immer wieder Vorfälle von Polizeigewalt in Österreich. Das genaue Ausmaß ist nicht bekannt, u. a. weil es keine unabhängige Untersuchung gibt. Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamt*innen könnte dazu beitragen, das Vertrauen zwischen der Bevölkerung und der Polizei zu stärken und Polizeigewalt zu verhindern.
Der offene Brief ist im Wortlaut hier als Download zu finden und wurde unterzeichnet von
#aufstehn
Alfred Zauner, Ao.Univ.-Prof.i.R., Dr. iur.habil, als Organisationsberater 2008-2012 externer Leiter des Projekts Polizei.Macht.Menschen.Rechte (P.M.M.R.)
Amnesty International Österreich
Asylkoordination Österreich
Attac Austria
Autonome Österreichische Frauenhäuser
BAWO Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
BettelLobby Wien
Black Movement Austria
BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben
Diakonie Österreich
Dokustelle Österreich (Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus)
Dr. Christian Schmaus Rechtsanwalt
Dr. Marianne Schulze LL.M Human Rights Consultant
Dr. Klaus Starl, UNESCO Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschliche Sicherheit, UNESCO Zentrum für die Förderung der Menschenrechte in Gemeinden und Regionen
epicenter.works
Hannes Tretter Ao. Univ.Prof. i.R. für Grund und Menschenrechte, Universität Wien, Co-Gründer und Co-Direktor des Ludwig Botzmann Instituts für Menschenrechte (BIM) 1992-2019
Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien 1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs
JUVIVO
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
Mag. Clemens Lahner Rechtsanwalt
Manfred Nowak Prof. für Menschenrechte a. d. Universität Wien, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter über Folter (2004-2010)
Österreichischer Frauenring
Österreichische Liga für Menschenrechte
Philipp Sonderegger
Prof. Dr. Gerd Oberleitner, UNESCO Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschliche Sicherheit, UNESCO Zentrum für die Förderung der Menschenrechte in Gemeinden und Regionen
Prof. Thomas Wenzel, Chair World Psychiatric Association Scientific Section on Psychological Aspects of Torture and Persecution, Vorstandsmitglied CEHRI
Queer Base
Rechtshilfe Rapid
Rechtskomittee LAMBDA
Reporter Ohne Grenzen (RSF) Österreich
Research Institute
SOS Mitmensch
Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
Univ.Prof. Dr. Ernst Berger, ehemaliger Komississionsleiter der Volksanwaltschaft
Univ. Prof. Dr. Siroos Mirzaei, Sprecher der Amnesty International-Medizinergruppe, Experte für Folterdiagnostik
VICESSE | Vienna Centre for Societal Security
Volkshilfe Österreich
Walter Suntinger Menschenrechtskonsulent
WWF Österreich
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